Dufte! Einmal mehr zündet Jani MC musikalisch und intellektuell sowohl Dach als auch Keller an. Nach der duften Rapgeschichte hat sich Böhmermann nun explizit dem Babo zugewandt. Freilich wird nach ein paar Tagen Diskurs nur mehr der Track übrigbleiben und bestenfalls „Ich hab Polizei“ in das gesamtgesellschaftliche Sprachgut eingehen, wie es Haftis Chabos wissen, wer der Babo ist bereits geschafft hat. Und hier wird der Kern bereits freigelegt: Jan Böhmermann persifliert Haftbefehl auf weit respektvollere Art und Weise, als die aufgeregte deutsche Gangstarap-Szene glaubt. Verneigt sich geradezu, denn „Hafti“ und mithin das komplette Genre des insbesondere deutschen bzw deutschsprachigen Gangstarap bieten nun wirklich weit mehr Angriffsfläche als Böhmi nutzt.
Mehrheitlich hat sich die deutsche Rap-Szene leider als Bewohner des oben angeführten Kellers positioniert. Marcus Staiger zum Beispiel beeft Böhmermann in einem offenen Brief an, er würde von oben die Unterschicht herabwürdigen, lächerlich machen, schwadroniert über einen Klassenkampf. [Der Beefträger kam gestern erst gar nicht. – Aber Markus Staiger wird alsbald seinen Beef persönlich vorbeibringen, denn er ist bereits als Gast für die Talkshow von Jan Böhmermann und Olli Schulz angekündigt.] Der Intellekt fehlt ihm sicher nicht, das Weltbild ist schaderweise nur allzu geschlossen.
Ich glaube übrigens auch und gerade bei Haftbefehl gar nicht, dass ihm der Intellekt fehlt. Zwar mag einem der übliche Sprach-Duktus dümmlich erscheinen, weiß man aber zum Beispiel, dass die Begriffe Babo und Chabo Referenzen an Haftbefehls ostanatolische Herkunft sind, darf man getrost annehmen, dass sich jemand mehr Gedanken macht, als nur den um den nächsten Reim auf Hurensohn.
Spätestens seit den Rezensionen auf seine vermeintliche Antwort CopKKKilla*, müsste er aber wissen, wer der Böhmi ist. Vermeintliche Antwort, da kaum anzunehmen ist, dass eine Chartsproduktion innerhalb weniger Tage mit allem Pipapo zu machen ist, auch weil im Text kein und im Grunde nur über einen Twitter-Hashtag #ollischulzistimmernochcooler indirekt Bezug zu Böhmermann genommen wird, vermute ich eher, dass das Stück noch irgendwo auf Halde lag und Ich hab Polizei-Gate willkommener Anlass war, schnell irgendwas rauszukloppen.
*Wir verlinken das Stück nicht, da im Video Schwerstverletzungen zu sehen sind. Unseren kleinen Blog legen wir aber derart an, dass ihn auch unsere Kinder angucken und vielleicht auch eines Tages etwas beitragen können.
Oder aber – Verschwörungstheorie, Verschwörungstheorie, liebe Alu-Basecapträger – Hafti und Böhmi haben hier mal gemeinsam eine 1A virale PR-Nummer auf’s Parkett gelegt und baden demnächst gemeinsam im Dom-Perignon-Hennessy-Cocktail. Vielleicht ist sogar eine ganze Gangsta-Rap-Gang mit im Boot bzw mit im Bad. Frau Schu jedenfalls meint, dass sie vor Jan Böhmermanns Beef mit Fler weit weniger je von und über Fler gehört hat, also das Neo Magazin zu Flers Bekanntheit beigetragen hat.
Zum geschlossenen Weltbild Staigers und sehr wahrscheinlich auch Haftbefehls gehört aber leider, dass alles außerhalb des Weltbildes eher als feindlich wahrgenommen wird. Demnach wird in ihrer Welt JBizzy, wie Böhmermann sich in einem Tweet nannte, naturgemäß zum Feind.
LIVE auf #Periscope: Live zuschauen wie JBIZZY seiner Hater battlet und bitet! Die Hashtagkonferenz! https://t.co/8v2oBReDNJ
— Jan Böhmermann (@janboehm) December 2, 2015
Dass gerade Gangsta-Rap per se ironie- und überhaupt humorbefreit daherkommt, ja daherkommen muss, macht die Sache natürlich nicht besser.
Dabei hätte gerade Staiger nur mal hinhören müssen, denn mit jeder Strophe eskaliert die Polizeikritik, gegen Ende rappt Böhmermann:
„Polizei hat Blaulicht, Polizei Staatsgewalt,
Polizei hat letztes Jahr sieben Leute abgeknallt“
Bis hierhin sollte man schon auch zuhören, selbst wenn man sich verarscht fühlt, liebe Rap-ologeten. Böhmermann bewegt sich innerhalb des Tracks von der vermeintlichen Gegenseite zur Seite derer, die er parodiert. In seiner Gesamtheit bleibt Böhmermann erstaunlich ambivalent. Und dann sind wir bei wirklich großer Satire, die am besten ist, wenn sie im launig- bis lustigen Vortrag zum Nachdenken anregt, vielleicht sogar ohne selbst unmittelbar Position zu beziehen.
Man muss schon – um im Sprachbild der Szene zu bleiben – einen ganz schön kleinen Böhmermann in der Hose haben, um bei einer Parodie vor lauter Beißwut keine vier Minuten zuhören zu können. Dabei ist JBizzy textlich, rapstylig, stimmlich und bildsprachlich sehr nahe an Haftbefehl. Und die Zeit muss man sich schon nehmen, das sich alles genau anzugucken und -eignen. Das macht man nicht, wenn man etwas einfach nur shyce findet. Schon hier erstaunt ja, warum die Mehrheit der Szene das nicht als Respektsbekundung versteht, zumal Böhmer- zusammen mit Dendemann bereits in der oben schon verlinkten Rapgeschichte Haftbefehl untergebracht hat und also zu würdigen wusste.
Abschließend fällt auf, dass zwar die größeren Medien der Szene eher wie erwähnt bei Kritik an Jan Böhmermann bleiben, deren Leserschaft allerdings viel weiter zu überblicken in der Lage sind. Will sagen: Offenbar ist die Basis weit ironiefähiger als deren Leithammel. Die Kommentare lassen diesen Gedanken jedenfalls aufkommen. Und mit einem solchen Kommentar auf rap.de möchte ich auch schließen:
„Auch ich find Deutsch-Rap nicht gut, weil er sich selten richtig reimen tut.“