Patience is like bread I say
I ran out of that yesterday
It’s about time
It’s about time
Und ja, wahrlich, es war an der Zeit. Nicht so sehr, dass Evan Dando wieder in Berlin spielt, denn das war nicht allzu lang her. Vielmehr dass er an diesem Abend spielt. Erst kurz nach 22.00 schlurfte er gutgelaunt, but leicht verschwuppt auf die kleine Bühne des von mir bisher sträflich vernachlässigten und mit bis dato null (in Zahlen: 0) Besuchen bedachten Bang Bang Club. Bis dahin gestaltete sich das Kiezkonzert bereits anekdotenfreundlich: Die letzten Meter auf dem Mehringdamm zum Club schlenderten wir gemeinsam mit Dandy Dando in spé – im respektvollen Abstand von zwei Metern vielleicht. Ob für den Privatgebrauch oder später einmal die Social Media-Kanäle dokumentierte er ein loderndes Taschentuch. Und ein einsamer Ticketverticker am Eingang zum Bang Bang bot dem Pärchen-Duo Frau Schu & ich + Evan Dando & Begleitung Tickets an.
Bevor ich Evan Dandos Bühnenbeschlürfung eingehender mit Worten bedenke, widme ich mich noch angemessen kurz dem, nunja, eben kurzen Support-Set von Sara Johnston. Für das Lagerfeuerinstrumentarium Klampfe* + Stimme ebenso dufte wie unspektakulär. Inklusive Björk-Cover, das sich abgesehen vom sich abhebenden Wiedererkennungswert wunderbar einfügte. Frau Schu vermochte es zudem, in Frau Johnstons Mimik sicherlich drei, vier weitere Musikerinnen zu erkennen. Respekt an beide Damen dafür.
Nun also Beschlürfung. Evan Dando machte auf mich den Eindruck, in der Tat ca ¾ der mitgebrachten Jameson-Buddel geleert zu haben. Dennoch: Ich habe ihn in den folgenden etwa zweieinhalb Stunden nicht ein Mal daran nippen sehen. (Dafür nahm Sara Johnston beim späteren gemeinsamen Singdichein ganz ansehnliche Züge.) Hatte ich die zweieinhalb Stunden erwähnt? 2 ½ Stunden und gefühlt das komplette Lemonheads– + Solo-Oeuvre nebst einigen Coverversionen. Kurz vor dem Erscheinen wurde in der ca halbstündigen Umbaupause (!) ein Barhocker auf die ansonsten weiterhin ziemlich leere Bühne gestellt, die der Dando dann mit den SetlistEN schmückte. Bei ZWEIEINHALB Stunden und sowas wie 50-70 Songs, ja, teilweise etwas fragmentiert, ist es wohl auch vonnöten, mehrere A4-Blätter mitzubringen.
Gut gelaunt stimmte der Posterboy der 90er Indie-Ära an und alsbald war der Bang Bang mit seligen Gesichtern nahezu ebenso gut gefüllt, wie an der Gesamtzahl der Gäste. In Stadien spräche man hier mit Recht von einem Triumph-Zug!
Kommen wir, bevor wir uns der Performance zuwenden, zu den Setlisten. Was nicht draufstand: Mrs. Robinson. Oder er hat vergessen, einen der Zettel zu wenden. Etwa eine halbe Stunde vor Schluss glaubte sich Evan am Endo des Lemonheads-Materials und erbat Liedwünsche. Auch wenn auf das Alter einzelner Lieder dezent hämisch derart eingegangen wurde, dass diese Lieder ja noch aus der Zeit des geteilten Berlins stammten – freilich spielte er sie.
Was nun Show und was tatsächlicher Vernebelungszustand war, wird sich nicht beantworten lassen, doch mein bescheidener Eindruck war, dass der ewige Jungspund – und tatsächlich kann man ihm den, auch mit frischen 48, noch abnehmen – zuweilen über Texte grübeln musste. Ferner vergaß er gelegentlich, den Kapodaster an- oder umzuklemmen. Ebenso stimmte er für das letzte Lied, das er gemeinsam mit Sara Johnston vortrug, die E-Seite herunter und erkannte fluchend nach der ersten Strophe des folgenden Stückes, dass er sie nicht wieder hochgestimmt hatte – doch ihm bei all diesen kleinen Patzern, dem steten kleinen Fluch darauf, den vernuschelten Ansagen, dem stirnberunzelten Überlegen, abwesenden Blicken, dem Raunen, dem Zerbrechlichsein, dem übertriebenen Tremolo …, kurz: der Spielfreude zusehen und -hören zu können, hat nicht eine Minute der zweieinhalb Stunden Langeweile aufkommen lassen.
Hab ich es über zwanzig Jahre versäumt, Fan zu werden, so werde ich das nun langsam mal nachholen.
*Evan Dandy und Sara Johnston spielten tatsächlich auf der selben Gitarre. Der Tourbus der beiden könnte ein Fiat 500 sein.
Photos ©Nadja Ritter