20.000 Days on Earth

SHOWBERRY

 

Nick-Cave-20000

Ich möchte diesen Film ausdrücklich empfehlen, wenn euch ein entspannter Abend bevorsteht, nichts mehr zu tun ist und der Geist für Genuss zugänglich ist. Nicht etwa, weil ich eingefleischter Nick Cave Fan bin und an dieser Stelle missionieren möchte, noch weil ich mich wahnsinnig gut mit seiner Vita auskenne. Lediglich drei Alben (Boatman’s Call, Let Love In, Murder Ballads) habe ich intensiver gehört und seinen Eselin-Roman hab ich gelesen. Ist auch schon ne Weile her. Hab damals wenig verstanden, spürte aber, dass es nicht alles nur heiße Luft ist, obwohl der vulgäre Autor zu romantisiertem, lyrischem Geschwurbel neigt.

Ein fiktiver Tag also im Leben des Herrn C. aus B. in GB.

Kein Gramm Fett oder Haut zu viel steht er morgens nach gut 20000 Tagen auf, um nach einem vielsagenden Blick in den Spiegel sein künstlerisches Schaffen und ein bissl mehr Gossip als gewohnt aus seinem Leben vorzuzeigen. Dazu nimmt er inhaltlich Anlauf mit einem Besuch beim Psychoanalytiker (Darian Leader – guter Name, auch als Autor von Sachbüchern tätig), der ihn über Familie und Herkunft reflektieren lässt, Mittagessen kocht Mitmusikant und Kumpel Warren Ellis, Cave verschmäht es und ein paar gute Insider und Stories fliegen hin und her. Nachmittags geht’s noch ins Nick Cave Archiv und natürlich ins Studio.

Wir fahren durch sonnige und verregnete Panoramen, wenn er seinem herrlichen Jaguar hastenichgesehen von annozupp wunderschön abgefilmt in Brighton und Umgebung von A nach B fährt und sowohl Monologe mit sich selbst als auch Gespräche nonchalant mit Lebens-Weggefährten wie Blixa Bargeld oder Geili-Kylie führt. Letztere sitzt nicht wie die Herren neben ihm, sondern hinten auf m Rücksitz und lässt das naive Fan-Girl raushängen, das den feinsinnigen Cave nicht wirklich kennenlernte in all den Jahren *schnief.

Bei aller Nabelschau wird es gänsehäutig und echt fesselnd, wenn Nick Cave live intoniert, ob mit Band, bei den Proben oder einsam am Klavier.

Da lassen sich die Filmschaffenden Iain Forsyth und Jane Pollard nicht die Butter von der Stulle nehmen. Das wird erfreulicherweise stark betont und spätestens jetzt bin ich drin und lasse mich mitnehmen. Das ist echt nah und eines ist mir in diesem Moment völlig klar: Diese Eindringlichkeit schaffen seine Alben oft einfach gar nicht, vieles weggemischt und geglättet und geordnet. Sofort vermisse ich die Intimität, die ich hier grad brühwarm serviert kriege. Alles klar, eines muss in diesem Leben noch erledigt werden, koste es was wolle: Ich muss den Mann live sehen, so lange es noch geht. Prima Werbung. Bin dabei.

Die Bildführung übrigens ist durchgehend elegant und knisterfrei, ohne kitschig zu werden. Chapeau. Jetzt wird auch klar, warum so ein Film beim Sundance Filmfestival ausgezeichnet wird oder auch die Berlinale eröffnen darf.

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